Liebe Gemeindemitglieder, LeserInnen,
das Geheimnis eines neuen Lebens ist tatsächlich tief. Der Anfang wirkt unscheinbar, fast belanglos – und doch entwickelt sich aus diesem kleinen Anfang ein winziges Wesen, das immer weiter heranwächst.
Ein Netzwerk aus Nerven, Venen und Arterien entsteht. Gehirnmasse, Knochen, Fleisch, Hautgewebe werden gebildet. Und dann geschieht das eigentliche Wunder: die Gestalt des Menschen nimmt Form an.
Immer dieselbe menschliche Gestalt, immer das gleiche Bild des Menschen, das am Ende jeder Schwangerschaft hervorgebracht wird. Ähnliches gilt zwar auch für andere Lebewesen, aber meine Aufmerksamkeit richtet sich auf das des Menschen.
Der Mensch wird mit zwei Händen, zwei Beinen, zwei Augen geboren usw. Der Mensch steht auf seinen Füßen und nicht anders. Zwei Hände – nicht zehn. Zwei Beine – nicht fünfzehn. Zwei Augen – nicht zwanzig, etwa damit er mehr sehen könnte.
Wir sind alle gleich, unabhängig davon, wann und wo wir geboren werden. Dieses Geheimnis verblüfft mich bis heute. Die Vernetzung ist kraftvoll. Die Formung ist wie Kunst. Und das Tempo – gewöhnlich neun Monate Geduld – führt zu einem vollständig entwickelten menschlichen Wesen.
Noch faszinierender ist, dass Gott dem Menschen die Möglichkeit und die Kraft gegeben hat, an diesem schöpferischen Werk mitzuwirken und so den Menschen zu einem wandelnden oder mobilen „Humanproduktionswerk“ macht – ohne dass der Mensch groß darüber nachdenkt oder es überhaupt bemerkt. Auch das ist ein großes Geheimnis.
Wie begann das alles? Am Anfang …! Gott sprach: „Es werde …!“ – und es wurde. Die Betonung liegt auf den Worten „Gott sprach“. Alles kam durch das Wort ins Sein. Mit diesem „Es werde …!“ entstand alles, unter Berücksichtigung der Mechanismen und der Komplexität dessen, was werden sollte. Dieses Wort muss das mächtigste Wort im Universum sein. Und derjenige, der es gesprochen hat – oder spricht –, muss der mächtigste im Universum sein.
Dieses Wort wurde nicht nur zu Beginn der Schöpfung gesprochen, sondern erneut. Dieses Mal formte Gott den Menschen nicht aus Erde, sondern im Leib eines Menschen.
Wieder sagte er: „Es werde …!“ – und es entstand Leben in der Jungfrau Maria. Wie bei der Erschaffung Adams kein menschlicher Vater beteiligt war, so auch bei Jesus. Deshalb wird er der „neue Adam“ genannt. Und das Erstaunliche: Das Wort wurde in Maria hineingesprochen – und es nahm Fleisch und wohnte unter uns.
Genießen Sie dieses Bibelwort: Joh 1,1–5, 7-14:
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“
Liebe Schwestern und Brüder, dieses Geheimnis feiern wir jedes Jahr an Weihnachten. Und jedes Jahr ist die Freude neu und erneuert. So wie wir uns freuen, wenn ein Kind geboren wird, freuen wir uns an Weihnachten.
Wir feiern die Geburt des Wortes, durch das das Universum geschaffen wurde. Wir feiern den König des Universums. Wir feiern den Sohn Gottes, der Gott selbst ist. Und wir haben allen Grund, jedes Jahr wieder zu feiern – denn wir haben nicht aufgehört, uns an ihm zu freuen. Wenn wir uns jedes Jahr neu nach diesem Fest sehnen, warum sollten wir dann nicht feiern?
Ich wünsche euch und Ihnen allen eine sehr besinnliche Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest. Möge das Wort Gottes immer in uns Fleisch annehmen und unter uns wohnen. Amen.
Mit herzlichen Grüßen
Pater Francis Oparah CSSp
